Vortrag „Das Blaue Herz Europas: Schönheit und Bedrohung der Balkanflüsse“ des Bund Naturschutz, Kreisgruppe Kelheim zusammen mit EuroNatur
Rettung für das "Blaue Herz Europas"- EuroNatur Geschäftsführer Gabriel Schwaderer informierte beim BundNaturschutz -
Auf Einladung der Kreisgruppe des Bund Naturschutz referierte in Kelheim im Weissen Lamm der Euro Natur Geschäftsführer Gabriel Schwaderer zur Situation der Flüsse auf dem Balkan. In eindrucksvollen Bildern wurden die noch ungezähmten Flusslandschaften vorgestellt. Diesem europäischen Naturschatz droht ein Generalangriff der Wasserbaulobby.
Der stellvertretende Vorsitzende des Bund Naturschutz der KreisgruppeKelheim, Konrad Pöppel begrüßte als Gäste neben den ersten Vorsitzendendes Bundes Naturschutz Peter Forstner, des Landesbundes für Vogelschutz Peter-Michael Schmalz und des Kreisfischereivereins Manfred Beck ganz besonders Michael Littel von der Unteren Naturschutzbehörde und Robert Hierlmeier vom Landschaftspflegeverein VöF.
Kurz stelle er auch die Organisation EuroNatur und den Referenten Gabriel Schwaderer, Geschäftsführer von EuroNatur vor. Euronatur ist eine gemeinnützige Stiftung mit Sitz in Radolfzell am Bodensee. EuroNatur fördert europäische Naturschutzprojekte incl. der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen als Umfeld zu diesen Projekten und dient damit dem internationalen Naturschutz, dem Tierschutz, der Wissenschaft so wie der Volksbildung.
Zu Beginn des Vortrags zeigte Gabriel Schwaderer kristallklare Bäche,spektakuläre Wasserfälle, tiefe Schluchten, Auwälder und mäandrierende Wildflüsse mit riesigen Schotterinseln: Nirgendwo sonst in Europa gibt es eine vergleichbare Vielzahl und Vielfalt natürlicher und unzerstörter Flusslandschaften wie auf dem Balkan. Mehr als 80 Prozent dieser Lebensadern sind in einem guten oder sogar sehr guten ökologischen Zustand. Zum Vergleich: In Deutschland gelten nur noch zehn Prozent der Flüsse als naturnah, 60 Prozent sind dagegen stark reguliert. Diese Traumkulisse ist auch der Grund dafür, warum das "Blaue Herz Europas" ein europäischer Hotspot der Artenvielfalt ist. Seltene Pflanzengesellschaften und auf das Wasser angewiesene Tierarten sind nicht nur in den Flüssen, sondern auch in den angrenzenden Auenlebensräumen zufinden.
Der Referent wies daruf hin, dass 40 Prozent aller gefährdeten Süßwasser-Molluskenarten (Muscheln und Schnecken) Europas in den Flüssen und Seen der Balkanhalbinsel leben. Zudem zeichnet sich die Region durch eine besonders große Dichte endemischer Fischarten aus: Allein 69 Fischarten kommen nur in den Balkanflüssen und sonst nirgendwo auf der Welt vor. Auch der bis zu 1,8 Meter große Huchen, der - einst über den ganzen Donauraum verbreitet - ist dort in wenigen Flüssen zu finden.
Doch damit nicht genug. Sehr wahrscheinlich tummeln sich in den Fließgewässern auf dem Balkan noch unentdeckte Arten. Die Erforschung vieler Gewässer steht gerade erst am Anfang. Erste Ergebnisse belegen jedoch die Einzigartigkeit der Flusslandschaften. Im Laufe der Jahrhunderte hat sich eine vielfältige kulturelle Landschaft rund um das"blaue Herz" gebildet. Die Menschen haben gelernt, sich an die natürlichen Bedingungen der Flüsse anzupassen und das fruchtbare Land an ihren Ufernnachhaltig zu bewirtschaften. Gabriel Schwaderer war schon oft vor Ort und wusste von Gedichten und Liedern der Einwohner zu berichten, die die Schönheit und die Kraft der Gewässer besingen.
Die Erforschung dieser Naturschätze, die Entdeckung neuer Arten ist jedoch ein Wettlauf gegen die Zeit. Nahezu alle Balkan-Flüsse sollen für die Wasserkraftnutzung ausgebaut werden. Zusätzlich zu den bereits rund 1.000 bestehenden und 188 im Bau befindlichen Kraftwerken ist laut einer Studie von Bankwatch in den kommenden Jahren der Bau von 2.796 weiteren Wasserkraftwerken (einschließlich Kleinwasserkraftwerke mit einer Kapazität von 0-1 MW) auf der Balkanhalbinsel geplant - und das ohne Rücksicht auf den ökologischen Wert der Flüsse. Selbst hochrangige Schutzgebiete bleiben von den Plänen nicht verschont; mehr als ein Drittel aller geplanten Staudämme sollen in Schutzgebieten gebaut werden. Es herrscht eine Art Goldgräberstimmung auf dem Balkan und dem blauen Herz Europas droht ein Generalangriff der Wasserbaulobby - und das, obwohl diedurch Photovotaik vor Ort gewonnene Energie kostengünstiger ist.
Die Flüsse in Südosteuropa stehen kurz davor, das gleiche Schicksal zuerleben, wie die meisten ihrer Brüder und Schwestern im Rest des Kontinents im letzten Jahrhundert (damals gab es die heutige Technik der Photovoltaik und Windkraft noch nicht). Zuerst wurden die blauen Lebensadern dort zerstört, um sie seit Gültigkeit der EU-Wasserrahmenrichtlinie, zumindest teilweise, mühsam wieder ihrem ursprünglichen Zustand anzunähern - ein kostspieliges und schwieriges Unterfangen. Umso skandalöser ist es, dass die Wasserkraftprojekte auf dem Balkan in vielen Fällen mit Unterstützung internationaler Banken und Firmen aus Staaten Mitteleuropas erfolgen.
Gabriel Schwaderer nannte dann auch konkret einige der Geldgeber. Seit 2005 gewährten die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD), die Europäische Investitionsbank (EIB) und die Weltbankgruppe Kredite und Bankgarantien in Höhe von insgesamt 727 Millionen Euro für nicht weniger als 82 Wasserkraftwerke, darunter 37 Projekte in Schutzgebieten. Doch nicht nur die sogenannten multilaterale nEntwicklungsbanken stehen hinter der Staudammfinanzierung, auch Geschäftsbanken sind im großen Stil daran beteiligt. Besonders umtriebig sind die Erste Group und Steiermärkische Bank (Österreich) sowie die Unicredit Group (Italien). Angeregt durch Bilder und Fakten ergab sich am Ende des Vortrags eine intensive Diskussion, die vom Versammlungsleiter Konrad Pöppel schließlich abgebrochen werden musste. Dem Vortragenden wurde unter kräftigem Applaus gedankt.