Logistikzentrum Rohr/Bachl – Geplante Amazon-Ansiedlung
Grundsatz:
Der BUND Naturschutz lehnt die Ansiedlung von großen Logistikzentren ab. Dies betrifft auch die Ansiedlung von Amazon auf einem ca. 33 Hektar großen Gewerbegebiet auf dem Gebiet des Marktes Rohr bei der Autobahnausfahrt „Abensberg/Bachl-Rohr“.
Neben den grundsätzlichen negativen Auswirkungen auf die Umwelt, die Natur und die regionalen Strukturen durch den weltweit ausufernden Onlinehandel, kommen natürlich vor Ort auch die negativen Auswirkungen auf diese Schutzgüter, sowie auf die zusätzlichen Belastungen der Bürger durch die massive Verkehrszunahme oder durch die Auswirkungen auf die Sozialstrukturen hinzu.
Die positiven Auswirkungen auf die Finanzsituation des Marktes Rohr wird durch die regionalen Lasten in großen Bereichen des Landkreises Kelheim bei weitem überkompensiert.
Allgemeines:
Laut Wikipedia (https://de.wikipedia.org/wiki/Amazon) ist Amazon mit 470 Mrd US-Dollar (bei gut 33 Mrd US-Dollar Jahresüberschuss) und 1,61 Mio Mitarbeiter ein weltweit agierendes Unternehmen (Versandhandel, Onlinehandel, Digitale Distribution, Cloud Computing). Die Projektentwicklung macht die italienische Firma Panattoni.
Die Zunahme des Online-Versandhandels ist ein wesentlicher Faktor für das Verschwinden des Einzelhandels in Innenstädten beliebiger Größe. Insbesondere in noch ländlich geprägten Gegenden mit Kleinstädten führt das zu sehr nachteiligen Entwicklungen, wie massive Leerstände von ehemaligen Läden und einer stark spürbaren Verödung der Ortskerne.
Das Versandprinzip erzeugt auch über eine Vielzahl von Klein-PKWs zu einem wahrnehmbaren, sehr hohen Verkehrsaufkommen. Als Beispiel denken viele mit Wehmut an das Versandmonopol der POST zurück, bei dem nur ein Anbieter die gesamte Logistik effizient und relativ umweltfreundlich erledigte (weniger Verkehr, weniger Personal, weniger CO2). Grundsätzlich wäre bei Aufgabe des POST-Monopols auch die Schaffung von regionalen Versorgungslizensen möglich gewesen, wie etwa bei der Müllabfuhr. Dies hätte weniger Verkehr und mehr Umweltfreundlichkeit bedeutet.
Waren werden durch das Online-Versandhandelprinzip nicht nur in großem Stil bestellt und angeliefert, sondern auch in großem Umfang zurückgesandt. Dramatisch ist oft zusätzlich, dass die rückgesandten neuen Waren aus Kostengründen in bedeutendem Umfang als Müll entsorgt werden.
Über den Einzelhandel wurden qualifizierte Arbeits- und Ausbildungsplätze, aber auch Gewerbesteuereinnahmen, über die Fläche verteilt. Beim Online-Versandhandel kommt es hier zu Konzentrationen, die auch die „Macht und Einflussnahme“ auf politische Entscheidungen vor Ort im Sinne des Gewerbesteuerzahlers fördern. Es ist auf alle Fälle ein deutlicher Widerspruch zu der oft als positiv propagierten „Regionalität“. Da mir augenblicklich keine entsprechenden Studien vorliegen, ist es nur eine These, dass der klassische Einzelhandel weniger Energieaufwand und damit mehr Umweltfreundlichkeit bedeutet, als ein alles vereinnahmender Online-Versandhandel.
Situation vor Ort:
Lt. HZ-Bericht vom 12.Dezember 2022 kommt es bei Realisierung der Planungen täglich durch die Fa. Amazon im Höchstfall zu 281 LKW-, 30 Sprinter- und 1 092 PKW-Bewegungen (unklar ist, ob es sich nur um Fahrzeuge der Fa. Amazon und ihrer Mitarbeiter handelt). Auf den 33 Hektar Gewerbegebiet sind 2 Logistik-Lagerhallen geplant (Gebäude Amazon: 6,6 Hektar; Gebäude Mieter: 5,0 Hektar). Dazu werden wohl noch Bürogebäude und Parkhäuser kommen.
Im ersten Jahr sollen dabei 1 500 Arbeitsplätze durch das Unternehmen geschaffen werden. Zu den Arbeitsplätzen der „Mieter“ und die Fahrzeugbewegungen der „Mieter“ wurden im Zeitungsartikel keine Angaben gemacht. Die Gewerbesteuer soll in dem Vergleichsstandort Gera/Thüringen im sechsstelligen Bereich pro Monat liegen.
Bei einer Diskussion der Thematik sind neben den Daten der Fa. Amazon auch die Daten der „Mieter“ zu integrieren. Bei den Arbeitsplätzen können deshalb „2 000 Mitarbeiter“ angesetzt werden. Bei den Fahrzeugbewegungen ist Stand heute eine gesamthafte Abschätzung nur schwer möglich. Tatsache ist, dass sich z.B. die heute schon mehr als grenzwertige Verkehrssituation in Offenstetten noch einmal dramatisch verschlechtern wird (aktuelle Verkehrszählungen ergeben: ???). Durch weitere Logistikunternehmen, deren Ansiedlung an der A93 nicht nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert werden, wird die gesamte Verkehrssituation an der Autobahn und den anliegenden Straßen wohl dramatisch (Bsp.: Bericht in der MZ vom 221206 über die Ansiedlung eines Lokistikunternehmens auf 5 Hektar Gewerbefläche in Siegenburg). Die Konsequenz kann ein weiterer Flächenverbrauch durch weiteren Straßenausbau bis hin zu einer 3-spurigen Autobahn sein.
Diskussion des Flächenverbrauchs:
Der Flächenverbrauch im Landkreis Kelheim ist wie in anderen Teilen Bayerns immens. Seit Gründung des Landkreises in der heutigen Form vor 50 Jahren hat sich die überbaute Fläche mindestens verdoppelt. Die Tendenz des Flächenverbrauchs ist ungebrochen. Es werden in großem Stil weiter Bau- und Gewerbegebiete ausgewiesen.
Neben den 33 Hektar Gewerbefläche muss davon ausgegangen werden, dass die vor Ort neu Beschäftigten überwiegend nicht aus dem Landkreis Kelheim kommen, sondern angesiedelt werden müssen (These: wohl überwiegend aus Osteuropa). Bei einer Annahme von 1 600 Neubürgern (Arbeitsplätze incl. Familienmitgliedern) kann man von 800 zusätzlich benötigten Wohneinheiten ausgehen (Annahme verdichtete Lösung: 50 WE/Hektar) . Diese müssen in Rohr und den umliegenden Gemeinden mit einem Überbau von weiteren 16 Hektar Fläche geschaffen werden. Dazu kommen noch Infrastrukturgebäude, wie Kindergärten und Schulen, die von der Allgemeinheit zu finanzieren sind. Ein weiterer Straßenausbau wird unten noch diskutiert.
Diskussion der Arbeitsplätze:
Die Arbeitsplätze sind überwiegend nicht attraktiv (in der Hauptsache wohl 13,- Euro/h). Nach vorliegenden Informationen können die Verteilungstätigkeiten nur halbtags ausgeführt werden, weil es sich um eine extrem anstrengende Tätigkeit handelt. Ferner kann die Verteilungstätigkeit meist nur 10 bis 20 Jahre durchgehalten werden. Die Tätigkeit als Kraftfahrer ist zwar sehr notwendig und ehrenwert, aber auch eher unattraktiv.
Diskussion des Verkehrs:
Es ist nur eine unsichere Bewertung möglich, da das von den „Mietern“ erzeugte Verkehrsaufkommen und weiterer in der Nähe sich ansiedelnder Logistikunternehmen nicht bewertet werden kann. Hier sind weitere Informationen und Analysen notwendig.
Dass es zu weiteren Verkehrsbelastungen kommen wird, ist unstrittig.
Tatsache ist, dass sich zum Beispiel die heute schon mehr als grenzwertige Verkehrssituation in Offenstetten – es wird aber auch andere Orte treffen (Ober-/Unterschambach, Abensberg/Straubinger Str., etc.) - noch einmal dramatisch verschlechtern wird. Nach aktuellen amtlichen Zählungen vom Herbst 2022 fahren durch Offenstetten pro Woche über 71.000 Fahrzeuge (Messung basiert auf 24 Stunden rund um die Uhr, 7 Tage!).
Durch weitere Logistikunternehmen, deren Ansiedlung an der A93 nicht nur hinter vorgehaltener Hand diskutiert werden*, wird die gesamte Verkehrssituation an der Autobahn und den anliegenden Straßen wohl dramatisch (Bsp.: Bericht in der MZ vom 221206 über die Ansiedlung eines Lokistikunternehmens auf 5 Hektar Gewerbefläche in Siegenburg). Die Konsequenz kann ein weiterer Flächenverbrauch durch neuen Straßenausbau bis hin zu Ortsumgehungen oder einer 3-spurigen Autobahn sein, d.h. ein weiterer Verbrauch von Landschaft, Natur und Erholungsraum.
*: Es gibt Diskussionen zur Ansiedlung eines Wettbewerbers von Amazon in ähnlicher Größenordnung an einer anderen Autobahnausfahrt der A93 im Landkreis Kelheim.
Zusätzliche Umweltauswirkungen:
Die negativen Umweltauswirkungen des weltweiten Onlineversandhandels wurden ja schon oben angedeutet. Durch den Überbau der Flächen kommt es zu weiteren Versiegelungen. Beim Regenwassermanagement wäre zu klären, in wie weit die angekündigten „Gründächer“ flächendeckend umgesetzt werden und welche Qualität bei deren Ausführungen angedacht ist (Rückhaltung des Abflusses; Reinigungsleistung; in Ständerbauweise alles mit Photovoltaikmodulen überbaut) .
Die Bonität der Flächen wird als „nicht so gut“ kommuniziert. Es sind aber trotzdem keine schlechten Ackerflächen und die Erträge müssen anderswo erzeugt werden. Im schlechtesten Fall durch weitere Regenwaldabholzungen.
In der Nähe des Gewerbegebiets befindet sich auch der Forellenbach mit einer Teichlandschaft, der in den Hopfenbach mündet. Durch die Bebauung wird evtl. auch deren Wasserzuführung gefährdet.
Zu klären sind auch die Auswirkungen für die Trinkwassergewinnung.
Soziale Auswirkungen:
In Rohr und den Nachbargemeinden muss mit einer relevanten Ansiedlung von Neubürgern gerechnet werden, die zu integrieren sind. Die Strukturen dafür sind zu schaffen (Baugebiete, Schulen, Kindergärten, etc.). Kritisch ist vor allem, dass wir in Bayern nach ökologischen Kriterien der Wissenschaft schon jetzt um gut den Faktor 3 aufgrund unseres Verbrauchsstandards überbesiedelt sind. Es geht weiter Landschaft für Natur und Freizeit verloren. Man muss es so hart sagen, wie es ist: Es müssen Arbeitsplätze in Osteuropa für die Leute dort geschaffen werden. In Deutschland und Bayern ist zumindest kurzfristig eine Bevölkerungskonstanz zu realisieren, damit das Land halbwegs lebenswert bleibt.
Politikeraussagen:
Das Genehmigungsverfahren wird wohl eher eine Farce, denn das positive Ergebnis wird wohl präjudiziert.
Kelheimer Landrat Martin Neumeyer als zuständiger Amtschef: „Das Landratsamt wird die Gewerbegebietsplanung wohlwollend behandeln.“
Rohrer Bürgermeisterin Birgit Steinsdorfer: „Jede Gemeinde muss auf ihre Vorteile schauen, andere würden es genauso machen.“
Konrad Pöppel
(BUND Naturschutz, Kreisvorsitzender Landkreis Kelheim – in Abstimmung mit dem Landesverband)