Ein Plädoyer für Naturwaldflächen!
Am Donnerstag, den 23. März fand die Jahreshauptversammlung des BUND Naturschutz im Gasthof „Weißes Lamm“ in Kelheim statt. Als hochkarätigen Referent konnte Dr. Franz Leibl, Leiter des Nationalparks Bayerischer Wald, gewonnen werden, der die Ergebnisse zu „50 Jahren Walddynamik im Nationalpark“ vorstellte. Im Anschluss wurden Finanzentwicklung und Jahresaktivitäten von Kassenwartin Regina Kiermayer und Kreisvorsitzendem Konrad Pöppel für das letzte Kalenderjahr vorgestellt.
Das Nebenzimmer des Gasthofs in Kelheim war mit etwa 60 Besuchern eng gefüllt. Ein Zeichen für das große Interesse an dem Thema „Naturwald“, das speziell rund um Kelheim und die Weltenburger Enge immer wieder kontrovers diskutiert wird. In einem sehr interessanten Vortrag stellte Dr. Franz Leibl den über 50 Jahre alten Nationalpark Bayerischer Wald genauer vor. 98 Prozent des inzwischen gut 25.000 Hektar großen Schutzgebiets bestehen aus Wald. Prägend sind zum einen der Bergfichtenwald in den Hochlagen sowie der Bergmischwald mit Fichten, Buchen und Tannen etwas tiefer und an feuchteren Tallagen Aufichtenwald.
Dem Motto des Nationalparks „Natur Natur sein lassen!“ treu zu bleiben, fiel vor Ort gerade in den 1990er Jahren nach starken Borkenkäferkalamitäten und großer Windwurfereignisse nicht leicht. Der Unmut in der Bevölkerung war groß. Dennoch blieb die Politik standhaft. In der Kernzone des Nationalparks ließ man der Natur freien Lauf. Auch sind 75 % der Gesamtfläche „jagdfreie Zone“. Gut dreißig Jahre später zeigt sich an den Ergebnissen zahlreicher Forschungsarbeiten der Erfolg dieser Standhaftigkeit. Anfang des Jahrtausends noch kahle Flächen voller grauer abgestorbener Baumstämme zeigten sich wenige Jahre später wieder – nach einem Übergangsstadium mit Vogelbeeren und anderen Pioniergehölzen – grün von jungem Fichtenaufwuchs. Die Naturverjüngung im Schatten von, auch als Dünger des Nachwuchses fungierendem Totholz nahm Fahrt auf. Zwanzig Jahre nach der „Katastrophe“ stellt sich der Wald weit wertvoller dar als zuvor. Weder ist die Fichte verschwunden – über Jahrmillionen an den Borkenkäfer angepasst – noch sind die anfangs waldfreien Flächen zu einer Grassteppe verkommen.
Die Artenvielfalt im Nationalpark hat deutlich zugenommen. Erfreulich ist v. a. die Rückkehr von Arten, die nur in Urwaldgebieten vorkommen, darunter viele Pilze wie die Zitronengelbe Tramete und Käfer wie der Harzporling-Düsterkäfer. Aber auch weitere Naturnähezeiger oder vom Aussterben bedrohte Arten haben deutlich zugenommen. Insgesamt sind 11.000 Arten im Nationalpark wissenschaftlich bestimmt. Man hofft noch ein paar Tausend weitere Lebensformen zu finden. Zu der großen Artenvielfalt insbesondere unter Pilzen und Käfern trägt v. a. der große Totholzanteil bei. Während er in einem üblichen Wirtschaftswald ca. 30 Festmeter (fm)/ha beträgt, können es in Urwäldern bis zu 300 fm/ha sein. Der Nationalpark Bayerischer Wald weist etwa 110 fm/ha auf.
Ein weiterer Grund ist das Lebensalter der vorhandenen Bäume. In einem alten Urwald sind die Artenzahlen am höchsten, gerade weil in einem flächigen Urwald viele Waldstadien, von Windwurfflächen über lückige Waldstadien bis zu dichteren Altersbeständen, nebeneinander existieren. In einem Wirtschaftswald hingegen fehlen die älteren Waldstadien. Wie wichtig wirklich alte Bäume sind, zeigt die Untersuchung der Lebenswelt an der mit 600 Jahren ältesten Tanne im Nationalpark Bayerischer Wald. Heraus kamen bei den sogenannten Gliederfüßern 2.041 Individuen aus 257 unterschiedlichen Arten an einem einzigen Baum.
Anhand aktueller Forschungsergebnisse konnte Franz Leibl den Zuschauern seines Vortrags klar die Bedeutung des Nationalparks für die Waldentwicklung aufzeigen. Erfreulich ist, dass dank guten Managements und guter Öffentlichkeitsarbeit mittlerweile 75 - 85 % der Bevölkerung vor Ort den Nationalpark sehr positiv sehen, was für die Arbeit der Nationaparkverwaltung extrem wichtig ist. Das Großschutzgebiet ist aber auch gerade aus touristischer Sicht inzwischen ein nicht wegzudenkender Wirtschaftsfaktor in der Region. Aktuell werden 1,4 Millionen Besucher im Jahr gezählt. Eine sehr gute Besucherlenkung ist da natürlich nötig.
Im Anschluss an den Vortrag gab es jede Menge Fragen an den Referenten, z. B. zum Auerhuhnbestand, der nach teilweise starkem Rückgang nun wieder einen Aufwärtstrend zeigt, aber auch zur Entwicklung der Wälder im Landkreis, die als buchendominierte Laubwälder auf Kalk völlig andere Bedingungen aufweisen als die Waldtypen als im Nationalpark, aber gerade deshalb ihren eigenen wichtigen Beitrag zur Biodiversität in Bayern beitragen.
Den durch die Ausweisung als „Naturwald“ von Teilen der Forstseite prognostizierten Rückgang der Artenvielfalt im Raum Kelheim sieht Dr. Leibl nicht, unter anderem deshalb, weil aufgrund des Klimawandels noch lange nicht feststeht, dass die Buche die Eiche vollständig verdrängen wird. Vielmehr ist von einer Erhöhung der Biodiversität durch die Naturwaldausweisung auszugehen.
Kassenwartin Regina Kiermayer berichtete anschließend, dass im letzten Kalenderjahr der Finanzbestand der Kreisgruppe coronabedingt leicht abgenommen hat. Sie sieht aber die Finanzen stabil mit weiterhin Spielraum für die satzungsgemäßen Aktivitäten des BUND Naturschutz, insbesondere bei dem NANU-Umweltbildungsangebot oder bei Artenschutzprojekten.
Bei der Vorstellung der Aktivitäten im Jahr 2022 ging der Kreisvorsitzende Konrad Pöppel auf die Hauptprobleme im Landkreis ein. Dazu gehören der massive Flächenverbrauch durch Bau- und Gewerbegebietsausweisung. Aktuell ist beispielhaft die geplante und heiß diskutierte Ansiedlung von AMAZON bei Bachl/Rohr, die nur die Spitze des Eisbergs darstellt. Hier ist dem Kreis um Roland Weiß sehr zu danken, der es geschafft hat, eine Bürgerinitiative zu gründen, die sich für den Verzicht auf diese naturzerstörende Planung einsetzt. Großes Kopfzerbrechen bereitet Konrad Pöppel auch der Rückgang der Gewässer- und Grundwasserpegel. Die Behörden sind hier noch viel zu zaghaft beim Schutz des Gutes „Wasser“. Die Entnahmen müssen drastisch reduziert werden. Aber auch den negativen Eingriffen, die die Grundwasserspeisung behindern, ist massiv entgegenzuwirken. Das Wasserproblem ist nur zu einem kleineren Teil vom Klimawandel verursacht. Das meiste verursachen die Menschen vor Ort, durch Versiegelung, Verdichtung und Drainagen.
Beendet wurde die Versammlung mit dem Hinweis auf den nun hohen Mitgliederstand der Kreisgruppe Kelheim mit etwa 2 500 Personen, der vom ehemaligen Vorsitzenden Peter Forstner sukzessive aufgebaut wurde. Die 50 Jahr-Feier in Essing mit vielen kommunalen Größen und verdienten Mitgliedern, sowie dem Referenten Alfred Ringler und seinem Vortrag zur Landschaftsveränderung im Landkreis, war sicher der Verbandshöhepunkt im letzten Jahr.
Konrad Pöppel
(BUND Naturschutz Kreisvorsitzender Landkreis Kelheim)